Freiwilligendienst_Rottenburg-Stuttgart_Baden-Wuerttemberg_kurz

Wir unterstützen den offenen Brief des Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE) an Bundeskanzler Scholz, Vizekanzler Habeck und Bundesminister Lindner zum ausstehenden Beschluss über den Bundeshaushalt 2024. Deshalb teilen wir diesen auf unserer Webseite.

Zivilgesellschaftliche Organisationen bedroht

Tausende von Stellen durch Haushaltsvorbehalt gefährdet

 

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Scholz, 
sehr geehrter Herr Vizekanzler Habeck, 
sehr geehrter Herr Bundesminister Lindner, 

aufgrund des ausbleibenden Beschlusses zum Haushalt 2024 sind zahlreiche Organisationen der Zivilgesellschaft existenziell in Gefahr. Ein breites Spektrum von Vorhaben und Projekten über Koordinierungsstellen bis hin zu ganzen Einrichtungen müssen ihre Arbeit zum neuen Jahr einstellen.  

Das betrifft beispielsweise Aufgaben im Bereich der sozialen Dienste, des Engagements für Geflüchtete und zugunsten von Integration, in der Unterstützung von Menschen mit Behinderung, im Engagement für ältere Menschen, bei kulturellen Angeboten, Leistungen im Kontext von Bildung, Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche, Beratungsstellen gegen Diskriminierung und Rassismus sowie weitere Projekte etwa im Kontext von Migration und politischer Bildung.

Zivilgesellschaftliche und demokratiestärkende Strukturen bundesweit stehen vor dem Aus; Tausende von Menschen werden arbeitslos. 

Warum ist das so? 

Der Beschluss des Deutschen Bundestages über den Bundeshaushalt 2024 steht noch aus. Deshalb liegt noch keine haushaltsrechtliche Grundlage vor, auf der Anträge zivilgesellschaftlicher Organisationen für das kommende Förderjahr beschieden werden können. Ob der Bundeshaushalt 2024 noch in diesem Jahr beschlossen werden kann, ist zum aktuellen Zeitpunkt nicht vorhersehbar. Viele öffentlich geförderte Organisationen haben somit ab Januar 2024 keinerlei Planungssicherheit in den betroffenen Vorhaben. Gelingt es jetzt nicht, einen Haushalt zu beschließen, wird das Haushaltsjahr 2024 voraussichtlich mit einer „vorläufigen Haushaltsführung“ starten müssen. Jetzt – kurz vor Weihnachten – werden wir darüber informiert, dass weder Förderzusagen noch der „vorzeitige Maßnahmenbeginn“ zum 1. Januar 2024 durch die zuständigen Ministerien und staatlichen Stellen möglich sind.  

Wen betrifft es? 

Viele Mitglieder des BBE kommen in massive Schwierigkeiten. Im Einzelnen sind vielfältige Vorhaben betroffen, die durch verschiedene Ministerien gefördert werden sollten:

  • Im Bereich des BMFSFJ betrifft es das Bundesprogramm „Demokratie Leben!“. Ein Beispiel: Hier werden u.a. im Programm „Menschen stärken Menschen“ seit 2016 bedeutende Maßnahmen gefördert, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken. Über 224.000 Pat*innenschaften konnten in den vergangenen Jahren gestiftet und hauptamtliche Koordinierungsstrukturen aufgebaut werden. Wirksame Bildungs- und Begleitangebote für benachteiligte Zielgruppen erbrachten die engagierten Mentor*innen und hauptamtlichen Koordinator*innen; Engagement für Geflüchtete wurde begleitet und qualifiziert. Diese professionellen Angebote können nun nicht weitergeführt und die Zielgruppen nicht weiter unterstützt werden. 
  • Betroffen sind auch nicht bewilligte Projekte der öffentlich-rechtlichen DSEE, die etwa das Bundesprogramm „Engagiertes Land“ fördert: Netzwerke vor Ort müssen ihre Arbeit einstellen, Engagierte werden allein gelassen, Koordinierungsstellen nicht weiter gefördert, aufgebaute Strukturen vernachlässigt, Menschen verlieren ihre Jobs.
  • Auch das vom BMI geförderte Programm „Zusammenhalt durch Teilhabe“ lässt sein etabliertes Netz an vielfältigen Strukturen vor Ort zerbrechen. Es konnte in ländlichen oder strukturschwachen Regionen in den Verbands- und Vereinsstrukturen wirksame Handlungsansätze zur Stärkung demokratischer Teilhabe und Extremismusprävention sowie zielgruppengerechte Bildungsangebote entwickeln, deren Fortführung nun gefährdet ist. Dasselbe gilt für das Bundesnetzwerk Digitale Nachbarschaft.
  • Zudem wird die – bereits durch den Haushaltsentwurf der Bundesregierung in Frage gestellte – notwendige Förderung für Freiwilligendienste erneut in Frage gestellt, ebenso wie etablierte Zertifikate wie der DsiN-Digitalführerschein, der digitale Bildung und Kompetenzen für die Breite der Gesellschaft fördert.

Welche Konsequenzen hat das? 

Menschen, die auf Unterstützung gezählt haben, kann nicht mehr geholfen werden. Engagierte werden nicht adäquat bei ihren anspruchsvollen Aufgaben begleitet. Mühevoll und jahrelang aufgebaute Strukturen der Zivilgesellschaft bluten aus. Gemeinnützige Organisationen verlieren ihre Fachkräfte. Zivilgesellschaft wird damit umfassend gefährdet.  

Ein „vorzeitiger Maßnahmenbeginn“, der den Trägern den Projektbeginn rechtzeitig ermöglichen und die Fördermittel auch bei späterer Zahlung zusichern würde und damit die Zahlungsfähigkeit sicherstellt, kann in dieser Situation nicht gewährt werden. Die Träger müssen ihre Maßnahmen zwangsläufig aussetzen. Arbeitsverträge können nicht verlängert bzw. müssen gekündigt werden.  

Schwächung zivilgesellschaftlicher Infrastruktur!

Im Zuge des Deutschen EngagementTags am 5./6.12.2023 wurde durch Familienministerin Lisa Paus die große Relevanz zivilgesellschaftlicher Strukturen in Zeiten der Transformation, für die Resilienz unserer Gesellschaft und für eine starke Demokratie unterstrichen. Ein neuer strategischer Ansatz solle befördert und die Zivilgesellschaft und das Engagement durch die im Jahr 2024 im Kabinett zu verabschiedende Engagementstrategie des Bundes gestärkt werden. Umfangreiche Beteiligungsprozesse der Zivilgesellschaft im Jahr 2023 waren dem vorweg gegangen. Doch tatsächlich sind Engagement und die organisierte Zivilgesellschaft in Deutschland akut in Gefahr. Die Bundesregierung unterstützt die Infrastruktur nicht, sie schwächt die Träger und Projekte. 

Wir fordern Sie daher auf: 

  • Beschließen Sie den Haushalt 2024 ohne Kürzungen für die Träger zivilgesellschaftlicher Vorhaben noch im Jahr 2023 und vor allem noch vor Weihnachten! 
  • Bewilligen Sie den vorzeitigen Maßnahmenbeginn vor Weihnachten, damit die Arbeit weitergeführt werden kann! 
  • Beschließen Sie einen Notfallfonds für zivilgesellschaftliche Strukturen, die sich eine Überbrückung nicht leisten können! 
  • Wirken Sie auf die grundsätzliche, nachhaltige Stärkung und Absicherung der Organisationen der Zivilgesellschaft hin!  

 

Berlin, den 11. Dezember 2023

 

Für den BBE-Sprecher*innenrat und die BBE-Geschäftsführung

Rainer Hub, Diakonie Deutschland, Vorsitzender des BBE-Sprecher*innenrates,

Oleg Cernavin, Offensive Mittelstand, Mitglied des BBE-Sprecher*innenrates,

Olaf Ebert, Stiftung Bürger für Bürger, Mitglied des BBE-Sprecher*innenrates,

Katja Hintze, Stiftung Bildung, Mitglied des BBE-Sprecher*innenrates,

Dr. Lilian Schwalb, BBE-Geschäftsführerin

Das Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE) ist ein Zusammenschluss von aktuell fast 300 Organisationen und Institutionen aus Zivilgesellschaft, Staat, Wissenschaft und Wirtschaft. Ziel des Netzwerks ist es, Bürgergesellschaft und bürgerschaftliches Engagement in allen Gesellschafts- und Politikbereichen nachhaltig zu fördern. Der BBE-Sprecher*innenrat ist Aufsichtsorgan und Sprachrohr der Mitglieder des Netzwerks. Die BBE Geschäftsstelle gGmbH ist die Trägerin der Projekte und der Geschäftsstelle des Netzwerks.

Weitere Informationen über das BBE erhalten Sie unter http://www.b-b-e.de